Das Imperium schlägt zurück​

Ein Beitrag von Dr. Hannelore Meyer  Antibiotikaresistenzen sind alarmierend Die ersten Antibiotika wurden in den 1940er Jahren entdeckt und seither zur Behandlung von bakteriellen Infektionen weltweit und höchst erfolgreich eingesetzt. Damit ist es zum ersten Mal gelungen, Infektionserkrankungen ursächlich zu bekämpfen. Neben einer deutlichen Steigerung der Lebenserwartung hat dies die Entwicklung der modernen Medizin begründet. Infektionen mit Antibiotika-resistenten Bakterien, also Keimen, gegen die (fast) alle unsere Antibiotika unwirksam sind, stellen eine weltweit wachsende und massive Bedrohung für die Gesundheit und das Leben einer Vielzahl von Menschen dar. Wie kürzlich in den Medien berichtet, sterben in Europa jährlich ca. 33.000 Menschen durch Infektionen mit Antibiotika-resistenten Bakterien, doppelt so viele wie in 2007. Dies entspricht einem Jumbo-Jet Absturz mit 400-500 Passagieren alle 5 Tage. Bis 2050 wird mit einem Anstieg an Todesfällen durch multiresistente Infektionen von derzeit weltweit 700.000 auf ca. 10 Millionen diskutiert, was mehr wäre als heute die Krebs-bedingten Todesfälle, derzeit ca. 8,2 Millionen/Jahr. Darüber hinaus werden medizinische Errungenschaften, wie Transplantationen, Tumortherapien, komplizierte Operationen oder auch die Versorgung von Frühgeborenen zunehmend erschwert, weil für diese Behandlungsmöglichkeiten wirksame antibiotische Therapien unerlässlich sind. Das Immunsystem dieser Patienten arbeitet nur eingeschränkt und kann daher einer Infektion oft zu wenig entgegensetzen. Neben dem erheblichen Anstieg an zusätzlichen Behandlungskostenwerden (zwischen 20 und 35 Mrd US$ in den USA 2013) könnten bis 2050 der weltweite Ausfall an Produktivität dem heutigen Bruttoinlandsprodukt von Großbritannien entsprechen. Abbildung 1: Todesfälle durch Krankheiten. Blau: 2013; Orange: 2050 Hochrechnung  Vielseitige Strategien gegen Antibiotikaresistenzen Diese Gefahr wurde inzwischen weltweit erkannt, was unter anderem in den G7 und G20 Abschlusserklärungen der letzten Jahre dargelegt ist. Aufgrund der schnellen globalen Verbreitung und Übertragung von Antibiotikaresistenzen wird eine zentrale Herausforderung bei deren Bekämpfung die weltweite Umsetzung verschiedener Maßnahmen sein:  1. Die Überwachung der Resistenzentwicklungen gegen Antibiotika, 2. die zielgerichtete Verwendung von Antibiotika im medizinischen Bereich, 3. die Einschränkung des Antibiotikaverbrauchs im landwirtschaftlichen Bereich, 4. verbesserte Hygienemaßnahmen und 5. die Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren zur Abklärung der verbleibenden Behandlungsmöglichkeiten. Dabei steht vor allem die Entwicklung neuer therapeutischer Möglichkeiten im Vordergrund. Die WHO hat im Februar 2017 eine Liste derjenigen bakteriellen Infektionserreger veröffentlicht, gegen die dringend neue Therapien entwickelt werden müssen. Anhand dieser Liste kann man die vielfältigen Ansätze bündeln und somit möglichst schnell Behandlungsmöglichkeiten für die gefährlichsten Keime zu entwickeln,  Neue und personalisierte Behandlungskonzepte Das klassische Repertoire an antibiotischen Behandlungsmöglichkeiten für bakterielle Infektionen wird in unterschiedlichsten Ansätzen vielfältig ergänzt. Frei nach dem Motto ‚Vorbeugen ist besser als Heilen‘ werden weltweit verschiedene Impfstoffe gegen bakterielle Krankheitserreger entwickelt. Prophylaktische Impfungen, also solche, die späteren Infektionserkrankungen vorbeugen, sind die beste Waffe gegen Infektionserkrankungen. Sie sind meist gut verträglich, kostengünstig und umgehen die Gefahr späterer Resistenzbildung nahezu vollständig. Innovative Antikörpertherapien (d.h. der Einsatz speziell erzeugter Immunabwehrstoffe, Antikörper genannt) werden darüber hinaus eingesetzt, um den Einsatz von noch nicht genutzten Antibiotika zu ermöglichen. Ziel ist es hier, die Antibiotika über die Kopplung an Antikörper gezielt zum Wirkort zu bringen und dort in hoher Konzentration anzureichern. Dies vermindert mögliche Nebenwirkungen, da außerhalb des Wirkortes die Antibiotika-Konzentrationen um ein Vielfaches geringer bleibt. Weiterhin erlaubt dieser Ansatz die Verwendung von antibiotischen Wirkstoffen, die über die direkte Verabreichung (oral oder oder per Infusion) ihren Zielort nicht oder nur schlecht erreicht und somit wenig Wirkung gezeigt haben. ‚Lytische Peptide‘ sind Wirkstoffe, die sich gezielt in bakterielle (aber nicht in menschliche) Membranen einlagern und diese durchlöchern. Dies erlaubt einen breiten Einsatz bei vielen verschiedenen Infektionen. Der Wirkmechanismus, zielt NICHT auf die Blockade einer bestimmten bakteriellen Zellfunktion. Die Bakterien werden buchstäblich „durchlöchert“, dagegen sind Resistenzentwicklungen kaum zu erwarten. Bakterien haben natürlicherweise ebenso unter virus-Infektionen zu leiden wie wir. Diese speziellen Bakterien-Viren nennt man ‚Phagen‘, sie sind für den Menschen unbedenklich. Das hat bislang in der westlichen Welt aber nur wenig Beachtung gefunden. Dieser Ansatz erregt allerdings in jüngster Zeit mehr Aufmerksamkeit. Phagen können sehr kostengünstig und schnell hergestellt werden und sind zudem hochspezifisch für den jeweiligen Krankheitserreger. Hiermit stünde zum ersten Mal eine Technologie zur Verfügung, die jedem Patienten eine individuell auf seinen Infektionserreger angepasste Therapie ermöglichen kann. Den damit verbundenen Hoffnungen stehen jedoch noch immer Fragen gegenüber, wie in zuverlässiger Weise bei jedem neuen Phagenprodukt die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit überprüft und nachgewiesen werden kann.  Bei Darminfektionen mit Antibiotika-resistenten Chlostridien wurden in den letzten Jahren in mehr als 1000 klinischen Studien hervorragende Ergebnisse durch Übertragung des Darm-Mikrobioms von Gesunden erzielt. Damit soll Gleichgewicht der Darmflora wiederhergestellt werde, das eine vorangegangenen Antibiotika-Therapie des Patienten gestört hat. Bislang sind die Zusammenhänge der Zusammensetzung des Mikrobioms und diversen Erkrankungen noch nicht vollständig verstandenen. Daher wird diese Übertragung ausschließlich bei Patienten durchgeführt, bei denen keine andere Behandlungsmöglichkeit mehr zur Verfügung steht. De Studien zeigen allerdings bisher sehr gute Ergebnisse, sowohl im Behandlungserfolg, wie auch in Bezug auf geringe Nebenwirkungen. Trotz der vielfachen Ideen und Konzepte bleibt die klassische Arzneimittel-Entwicklung ein wichtiger Teil des anti-Infektions-Arsenals. Neue auf modernsten Laborverfahren basierende Diagnostik-Verfahren (massenspektrometrische, PCR-gestützte oder NGS-basierte), erlauben eine sehr rasche Identifizierung des bakteriellen Krankheitserregers. Drüber hinaus können möglichen Antibiotika-Resistenzen erkannt werden, was nun die Möglichkeit eröffnet, Erreger-spezifischen Wirkstoffe einzusetzen. Hierdurch wird die Möglichkeit einer – in Bezug auf den Infektionserreger personalisierten Therapie geschaffen: sogenannte Pathoblocker. Im Gegensatz zu den klassischen Antibiotika, welche die Vermehrung bzw. das Überleben der Bakterien verhindern, zielen Pathoblocker auf das Wechselspiel zwischen Bakterium und Patient ab. Diese verhindern also die ‚krankmachenden‘ Prozesse ohne die Bakterien abzutöten. Zufällig entstehende Resistenzen der Bakterien führen also nicht zu einem so straken Überlebensvorteil, wie er bei Antibiotika-Resistenzen beobachtet wird. Diese Mechanismen, die das Anheften von Bakterien an die ‚Wirtszellen‘, die Virulenz, oder die Verhinderung der Immunantwort beinhalten können, sind sehr spezifisch für einzelne Bakterien(gruppen). Wirkstoffe, die diese Mechanismen lahmlegen, werden somit nur auf wenige pathogene Bakterien wirken. Die auf und in uns lebenden lebensnotwendigen Bakterien bleiben verschont, was Nebenwirkungen deutlich einschränkt. Weiterhin werden gegebenenfalls entstehenden Resistenzmechanismen weit weniger auf andere Bakterienarten übertragen und breiten sich dementsprechend deutlich weniger aus.In diesem Sinne stellt das Pathoblocker-Konzept eine personalisierte Form der Therapie von bakteriellen Infektionen dar, indem die Personalisierung in diesem Fall nicht am Patienten, sondern in deutlich verstärkten Maß am Erreger ansetzt.  Innovative RNA-basierte und immunologische Ansätze, wie sie bereits in der Krebsbekämpfung eingesetzt werden, versprechen in den nächsten Jahren eine deutliche Ausweitung sowohl von diagnostischen Ansätzen (als Grundlage für eine gezielte und eventuell personalisierte Therapie), wie von personalisierten Therapieansätzen gegen Infektionserkrankungen.  Dennoch werden auch in Zukunft pathogene Bakterien Wege und Mechanismen entwickeln, um das Arsenal von Therapeutika wirkungslos zu machen. Dementsprechend müssen wir beständig neue Ansätze finden, um Infektionserkrankungen wirksam zu begegnen. Und dazu sind nicht nur verstärkte Anstrengungen in der Forschung nötig, sondern eben auch die zunehmende Personalisierung der Ansätze.​

MLL GmbH kooperiert mit IBM Watson und Illumina

Zur umfassenden Verbesserung der Leukämiediagnostik im digitalen Zeitalter hat das MLL Münchner Leukämie Labor GmbH Verträge mit IBM Watson und Illumina abgeschlossen.Zentraler Inhalt der Vereinbarung ist die Verwendung der aktuell schon vorliegenden Datensätzen von über 500.000 Fällen im Labor aus den letzten 12 Jahren mit einem Datensatz von zu sequenzierenden Fällen: insgesamt sind 5.000 speziell ausgesuchte Leukämieproben mittels Whole Genome Sequencing (90x) und RNA-Seq für die nächsten 12 Monate in diesem Forschungsprojekt geplant.Alle Daten werden dann mit verschiedenen Software-Produkten des MLL, von Illumina und speziell auch von IBM Watson mithilfe von künstlicher Intelligenz, neuronalen Netzwerken und Maschinenlernen analysiert.Ziele sind eine Verbesserung der aktuellen Leukämiediagnostik mithilfe von lernenden Software-Systemen, eine Überarbeitung der zunehmend molekular basierten Diagnostik und speziell auch die Überprüfung und gegebenenfalls Erweiterung vorhandener Prognosesysteme. Weiterhin ist im Sinne der personalisierten Medizin vorgesehen, den gesamten Datensatz bezüglich potentieller Targets zur zielgerichteten Therapie auszuwerten. Dies alles soll im Interesse der zukünftigen Patienten für die Diagnostik, Prognoseabschätzung und Precision-Medicine-Ansätze nutzbar gemacht werden. Das gesamte Forschungsprojekt läuft unter Leitung und innerhalb des Münchner Leukämie Labors. Eine Mitteilung unseres Mitglieds Prof. Dr. Torsten Haferlach, Münchener Leukämie Labor GMBH​

Prof. Dr. Torsten Haferlach

 Leukämiediagnostik und Therapie: Auf dem Wege zur Personalisierten MedizinOrt: MLL Münchner Leukämielabor GmbH,Max-Lebsche-Platz 31, 81377 MünchenZeit: 17:00 - 20:00 Uhrmit Gelegenheit zur Besichtigung der Laborräume des MLL

HARMONY in personalisierter Medizin

Je mehr personalisiert die Medizin wird, desto wichtiger wird die Verfügbarkeit von großen Datenmengen vieler Einzelpatienten, um daraus hilfreiche Erkenntnisse und Ansätze abzuleiten. Hierzu passt eine Mitteilung der Universität Ulm:  „Big Data“, also riesige Datenmengen und ihre intelligente Analyse, gilt als große Chance für die medizinische Forschung. In Zukunft könnten auch Patienten mit Erkrankungen des blutbildenden Systems von einer einmaligen „Datensammlung“ profitieren: Im Zuge des millionenschweren Projekts HARMONY (Healthcare Alliance for Resourceful Medicines Offensive against Neoplasms in HematologY) tragen 51 Partner aus 11 europäischen Ländern anonymisierte Patientendaten zusammen. Durch die Auswertung dieser „Datenberge“ sollen wertvolle Erkenntnisse zu Erkrankungen wie Leukämien (AML, CLL, ALL), Lymphomen, dem Multiplen Myelom, dem Myelodysplastischen Syndrom oder bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems bei Kindern gewonnen werden.​ In diesem Sinne wird es sicherlich sinnvoll und notwendig werden, über Datenschutzrichtlinien und ihre erforderliche Anpassung möglichst bald nachzudenken, damit sich Datenschutz nicht letztlich gegen die Patienten richtet; das darf einfach nicht passieren.  Unser Mitglied Herr Dr. E. Precht hat uns auf diese Mitteilung hingewiesen. Vielen Dank dafür! Rahmentext: Thomas Werner, Vorstandsvorsitzender

Ankündigung

Begriffserklärungen - wissenschaftliche Hintergründe - Beispiele Personalisierte Medizin ist ein noch relativ junges aufstrebendes Gebiet in dem sich Naturwissenschaften, speziell die Molekularbiologie, Informatik, Informationstechnologien und die Medizin zusammen schließen, um medizinische Beratung, Diagnose und Therapie auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten jedes einzelne Patienten (manchmal auch einer Patientengruppe) möglichst optimal abzustimmen. Der Verein m4 Personalisierte Medizin e.V., dessen Vorstandsvorsitzender ich derzeit bin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die absolut unerlässliche Diskussion über Personalisierte Medizin mit dem Ziel zu unterstützen, zu einem gesellschaftlichen Konsens über wesentliche Eckpunkte beizutragen, wobei es unser Ziel ist, alle von den Fachexperten bis hin zu den Patienten und möglichen Patienten (also alle) in angemessener Weise zu beteiligen und den Informationsaustausch zu fördern. Grundwissen, Erklärungen und Fakten sind derzeit aber weit verstreut. Obwohl im Prinzip alles zugänglich ist, so doch  ungeordnet und manchmal scheinbar widersprüchlich. Ich möchte mit diesem Blog zumindest begrifflich eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, indem ich die wesentlichsten Grundbegriffe nenne und einzuordnen versuche. Selbstverständlich ist das eine durch meinen persönlichen Hintergrund beeinflußte und gefärbte Darstellung und läuft daher auch unter meinem Namen und nicht stellvertretend für den gesamten Verein. Es soll auch gar nichts anderes sein, als ein Startpunkt der Diskussion, aus der sich dann ein Konsensus ergeben kann, wenn denn andere auch mitmachen und Kommentare hinterlassen, die einen Beitrag zu diesem Ziel leisten. Der Blog wird normalerweise jeweils am Freitag einer Woche erscheinen, und zwar prinzipiell wöchentlich, von einzelnen Pausen abgesehen.  Er erscheint in seinem eigenen Bereich, der im Menü als “TW’s PM Blog D” auftaucht (Nur diese Ankündigung erscheint auch in den andren Blogs Seiten). Er erscheint parallel auf Deutsch und auf Englisch, da er auch auf dem allgemein zugänglichen Teil der Vereins-Webseite publiziert wird. Dabei handelt es sich bei der englischen Fassung bewusst nicht um eine wortgetreue Übersetzung, sondern ich werde die englische Version auch inhaltlich an internationale Aspekte anpassen, wo es mir angezeigt erscheint. Was kommt als nächstes? Nächste Woche erscheint hier der erste Teil der Einführung.​

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Öffentlicher Blog